Vom Bruttokaufpreis zum Nettokaufpreis
Am einfachsten kann man sich das Problem klar machen, indem man sich in die Rolle des Käufers versetzt: Ausgangsgröße ist der Unternehmenswert. Für den Unternehmenswert gibt es sehr viele Verfahren, aber lassen Sie uns der Einfachheit halber die Mustermann GmbH mit einem Umsatz von 1 Mio. Euro und einem Gewinn vor Steuern von 100.000 Euro vorstellen. Der Unternehmenswert beträgt 500.000 Euro. Ob dieser über einen Ertragsmultiple (5,0) gebildet wurde oder auf einem ganz anderen Weg ist uns an dieser Stelle egal. Verkäufer und Käufer haben sich auf den Unternehmenswert 500.000 Euro geeinigt.
Nun müssen Sie sich folgende Fragen stellen: würde es für Sie als Käufer einen Unterschied machen, ob die GmbH noch 1 Mio. Euro auf dem Konto oder noch Schulden in Höhe von 1 Mio. Euro hat? Würde es einen Unterschied machen ob der Firma noch eine Immobilie gehört oder nicht? Mit Sicherheit. Diese Faktoren wurden bei der Berechnung des Unternehmenswertes allerdings gar nicht berücksichtigt. Sie wurden aber nicht vergessen, sondern werden nach der Einigung auf einen Unternehmenswert berücksichtigt.
DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE
- Der Nettokaufpreis ist der Preis, den ein Verkäufer beim Vollzug ausbezahlt bekommt.
- Der Bruttokaufpreis weicht oft erheblich vom Nettokaufpreis ab.
- Es gibt verschiedene Positionen aus der Bilanz, die subtrahiert oder addiert werden, um auf den Nettokaufpreis zu kommen.
Der Bruttokaufpreis (Enterprise Value)
Der Bruttokaufpreis entspricht dem Unternehmenswert (Enterprise value). Es gibt diverse Verfahren diesen zu ermitteln, beispielsweise Multiplikatorenverfahren, Ertragswertverfahren oder DCF-Verfahren. Der Bruttokaufpreis beschreibt den theoretischen Wert des Unternehmens ohne sich weiter die Bilanz oder den Abgrenzungsstichtag anzusehen. Der Bruttokaufpreis wird in einem professionellen M&A Transaktionsprozess bereits früh kommuniziert, also beispielsweise als Kaufpreisindikation in einem Teaser oder im Investment Memorandum. Auch in einer Absichtserklärung (LOI) zwischen Kaufinteressent und Verkäufer wird dieser Preis genannt.
Hintergrund dieser Betrachtungsweise ist die Tatsache, dass der Käufer möglicherweise anders aufgestellt ist als der aktuelle Besitzer. Der Bruttokaufpreis betrachtet nicht, ob sich das Unternehmen aktuell Geld leihen muss und zu welchen Konditionen dies geschieht. Der Bruttokaufpreis betrachtet nicht, ob das Unternehmen eine Immobilie besitzt oder nicht. Ziel dieser Betrachtungsweise ist es, Unternehmen vergleichbar zu machen. Angeboten wird die Mustermann GmbH, die in der XYZ Branche mit 15 Mitarbeitern einen Ertrag von 100.000 Euro erwirtschaftet.
Im nächsten Schritt wird der Nettokaufpreis ermittelt. Dies ist der Preis, der den Verkäufer tatsächlich interessiert. Der Nettokaufpreis kann größer oder kleiner als der Bruttokaufpreis ausfallen.
Der Nettokaufpreis (Equity Value)
Nachdem sich beide Parteien über den Unternehmenswert (Bruttoverkaufspreis) geeinigt haben, wird der Nettokaufpreis ermittelt. Dies ist in der Regel der Betrag, der dem Verkäufer zufließt. Die Berechnung scheint auf den ersten Blick sehr einfach: Bruttokaufpreis abzüglich Nettoverschuldung = Nettokaufpreis. Die Nettoverschuldung (Net Debt) ist auch einfach zu definieren, bietet aber Konfliktpotenzial, weil man sich darüber streiten kann welche Positionen notwendig sind.
Die Nettoverschuldung besteht aus zwei Bereichen.
Diese Positionen erhöhen die Nettoverschuldung:
- Zinstragende Verbindlichkeiten
- Steuerrückstellungen/Rückstellungen
Diese Positionen verringern die Nettoverschuldung:
- Liquide Mittel
- Nicht betriebsnotwendige Assets
Bleiben wir bei unserem Beispiel: die Mustermann GmbH hat in Beispiel 1 noch 100.000 Euro Darlehen bei einer Bank aufgenommen, keine Rückstellungen, keine Guthaben auf dem Konto und auch keine Assets, die hier Berücksichtigung finden würden. Dann beträgt der Nettokaufpreis 400.000 Euro. Die GmbH würde inklusive ihrer Schulden bei der Bank für 400.000 Euro an den Käufer gehen. Aus Käuferperspektive wären 500.000 Euro notwendig, um die Firma zu bezahlen (400.000 Euro) und die Schulden bei der Bank (100.000 Euro) zu tilgen.
In Beispiel 2 hat die Mustermann GmbH noch 100.000 Euro liquide Mittel auf dem Girokonto, die sie nicht für ihr Tagesgeschäft benötigt und eine Immobilie im Wert von 900.000 Euro im Besitz. Es gibt keine zinstragenden Verbindlichkeiten und keine Rückstellungen. Dann beträgt der Nettokaufpreis 1.500.000 Euro. Der Käufer würde 1.500.000 Euro bezahlen und hätte die GmbH, 100.000 Euro liquide Mittel und eine Immobilie gekauft. Aus seiner Perspektive hätte er genau wie in Beispiel 1 nur 500.000 Euro für die schuldenfreie GmbH bezahlt.
Leider ist es in der Praxis nicht so einfach: dort folgen die Positionen keinem einheitlichen Standard. Während die zinstragenden Verbindlichkeiten wie z.B. Bankdarlehen noch leicht zu ermitteln sind, so werden die Rückstellungen schon kontrovers diskutiert. Es gibt sowohl für die Kaufinteressenten, als auch für die Verkäufer gute Argumente, warum Positionen mit aufgenommen werden sollten oder eben nicht. Haben die Positionen einen wiederkehrenden Charakter oder sind sie einmalig?
Was sind Liquide Mittel?
Die liquiden Mittel sind die Kassenbestände und Bankguthaben. Diese sind in der Regel einfach zu ermitteln und zu beziffern. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen betriebsnotwendigen liquiden Mitteln und liquiden Mitteln. Wenn ein Unternehmen für das operative Geschäft unterjährig einen „Cashbedarf“ hat, so sind dies betriebsnotwendige Mittel. Diese gehören zum Unternehmen und finden keinen Einzug in die Berechnung. Ein Käufer wird in der Regel immer den Sockelbetrag als betriebsnotwendig ansehen. Ein Verkäufer würde mehr in die Richtung verhandeln, dass er einen Durchschnittswert der letzten Monate ansetzen möchte.
Was sind nicht betriebsnotwendige Assets?
Nicht betriebsnotwendige Assets können beispielsweise Immobilien oder Grundstücke sein. Nicht betriebsnotwendige Assets sind, wie der Name schon sagt, nicht notwendige für das Unternehmen. Ein Käufer hat in der Regel kein Interesse daran, diese Vermögensgegenstände mitzukaufen. Das Heraustrennen dieser Vermögensgegenstände vor einem Vollzug der Transaktion kann sehr komplex sein und bietet zusätzliches Konfliktpotenzial. Es ist üblich, dass der Gesellschaft aus dem Unterhalt dieser nicht betriebsnotwendigen Assets durchaus Kosten anfallen. Diese Kosten sind bei der Berechnung des „richtigen Kaufpreises“ zu bereinigen.
Fallstricke
Die Positionen, die vom Bruttowert zum Nettowert berücksichtigt werden, sollten idealerweise vor der Prüfung und schon weit am Anfang der Transaktion besprochen und verhandelt werden. Es ist nicht selten, dass sich die Parteien bei diesen Positionen hart auseinandersetzen. Hier ist es die Aufgabe des Beraters, zu führen und gute Argumente zur Hand zu haben. Der Berater muss die Probleme voraussehen und Sie als Verkäufer vorbereiten. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass unerfahrene Berater mit diesen Themen heillos überfordert sind und nachteilige Auslegungen akzeptieren. Gehen die Diskussionen über die Überleitungspositionen erst in einer späten Phase der Transaktion richtig los, kann das im schlimmsten Fall zum Abbruch der Transaktion führen.
UNSER TIPP
- Klären Sie die Positionen der Nettoverschuldung („net debt.“) schon im Letter of Intent oder frühzeitig im Transaktionsprozess mit dem Kaufinteressenten.
- Finanzinvestoren sind meist deutlich professioneller bei der Berechnung dieser Positionen als Strategen oder Privatpersonen.
- Nehmen Sie sich einen erfahrenen Berater, der Ihnen diese Positionen aufzeigt und verhandelt. Als Verkäufer sollten Sie bei den „harten Verhandlungen“ etwas aus der „Schusslinie“ sein, da Sie ja noch eine Übergangszeit/Einarbeitung mit dem Käufer in friedlicher Atmosphäre verbringen wollen.
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